XOXO: Divers. Inklusiv. Fortschrittlich. Woke?
XOXO handelt von Drama, Emotion, Geheimnissen, Mobbing, Intrigen, Verrat und sozialen Unterschieden – nicht unbedingt das, was einem in den Sinn kommt, wenn es um Diversität und Co geht. Und doch: XOXO soll ein regelrecht „wokes“ Rollenspiel sein, mit Absicht und aus Überzeugung.
Denn trotz aller Klischees, Archetypen und Drama: Ein fortschrittliches, inklusives und diverses Gesellschaftsbild findet sich in High School-Serien nahezu genauso sicher wie Liebe und Trennungen! Insbesondere im Vergleich mit dem gesellschaftlichen Mainstream, den man beispielsweise in Kinofilmen vorfindet. Schon in den 90er, als Homosexualität vielerorts ein Tabu war, fanden sich gleichgeschlechtlich liebende Charaktere in den Serien – und erzählten auch deren Geschichten von Erkenntnis über Outing bis zu gesellschaftlichen Problemen. Sie schafften Repräsentanz, machten uns das Thema nahbar und ließen uns ebenso die Vorurteile der Gesellschaft hinterfragen.
Homosexualität ist heutzutage glücklicherweise weitgehend akzeptiert, zumindest in vielen Ländern der Welt, in denen dies noch vor wenigen Jahrzehnten geächtet war. Generell sind wir als Gesellschaft heute viel mehr auf Repräsentanz und Inklusion bedacht – was eine gute Sache ist! Alte, diskriminierende Stereotype und Vorurteile werden zurückgedrängt und ersetzt durch Vielfalt und Respekt – zumindest wird es von immer mehr Menschen angestrebt. Doch auch heute gibt es noch Kulturkämpfe rund um Akzeptanz, Toleranz und Anerkennung.
Man denke nur an das Thema Transsexualität. Nach Jahrzehnten der Verdrängung aus der Öffentlichkeit sprechen die Menschen heute zumindest offen darüber – zu oft jedoch voller Vorbehalte, feindlich, verachtend und ablehnend. Zwischen den Vorwürfen einer angeblichen „woken Agenda“, der Herabwürdigung des Themas auf einen vermeintlichen Fetisch und dem dauerhaften Argument der Biologie geht es oft nicht mehr um die Menschen, sondern um einen gesellschaftspolitischen Kampf. Ohne das zu vertiefen: Lasst Menschen doch einfach sein, wie sie sein wollen und sich fühlen.
Und im medialen Bereich? Einige regt es 2024 auf, dass man in Videospielen Charaktere erstellen kann, die Narben von geschlechtsangleichenden Operationen besitzen. Im Vorjahr ist es für manche ein Skandal, dass eine trans Frau eine der Barbies in der Realverfilmung der bekannten Spielzeugpuppe verkörpert hat. Wie sehr hat man das Thema bitte davor gemieden, wenn erst 2023 eine Nebenfigur diese Repräsentanz so weit schafft, dass diese konservativeren Menschen sich davon getriggert fühlen? Nicht so in High School-Serien. Hier sind trans Menschen schon seit Jahren in Serien dabei, teils auch in prominenteren Rollen. Und oft sogar, ohne dass es überhaupt Thema ist: Sie sind einfach da, als wäre es so normal und selbstverständlich, wie man es sich für die reale Welt auch oft wünschen würde.
Dies mag auch mit dem Thema High School und dem entsprechenden Zielpublikum zusammenhängen: Jüngere Menschen sind bekanntermaßen häufig liberaler, offener, diverser als ältere Menschen. Zugegebenermaßen ist es für Ältere auch schwierig, sich umzugewöhnen bzw. an etwas zu gewöhnen, was es für sie „vorher nicht gab“. Doch zurück zu den Serien: Das moderne Gesellschaftsbild ist mutmaßlich sogar ein wichtiger Punkt für den Erfolg: Denn die Serienwelt ist zwar angelehnt an das echte Leben, aber meist doch irgendwie besser. Menschen finden zueinander, „böse“ Handlungen und Charaktere werden verständlich und später sympathisch, alles ist etwas schöner, sauberer, inklusiver und es gibt fast immer auch ein Happy End.
So sind all die Dramen, Intrigen und das Leid der Figuren zwar die Würze und Spannung – aber sie werden ergänzt durch glückliche Momente, positiven Entwicklungen und dem Grundgedanken, dass alle besser sein können. Eine wahre Utopie, die vielleicht am ehesten mit Gene Roddenberrys Star Trek Utopie vergleichbar ist: Denn auch dort finden wir etliche Konflikte, Kriege und Co. Doch wir bekommen auch immer gezeigt, dass es besser ginge, dass man sich entwickeln kann, und aus Feinden werden Freunde. Der Schlüssel hierzu: Toleranz, Akzeptanz und das Entdecken des Gemeinsamen. Ganz ähnlich, wie wir es auch in High School-Serien vorfinden.
Dabei spielen Archetypen ebenso eine Rolle wie das Entwickeln eines vollständigeren Bildes. Unter „reiche, verwöhnte Zicke“ kann man sich schnell jemanden vorstellen – aber es bleibt erst mal nur eine oberflächliche Beschreibung. Wie interessant wäre eine Figur, die keine weitere Vertiefung erhält? In den Serien erhalten wir oft genau diese: Was treibt den Charakter an? Wie wurde sie so, wie sie nun ist? Welcher Druck lastet auf sie? Hintergründe machen uns die Figuren verständlicher, authentischer und auch sympathischer. Kein Charakter wird einfach „böse“ sein unter realistischer Betrachtung. Und auch bei Star Trek haben SciFi-Fans ein Bild vor Augen, wenn sie an „Klingonen“ denken – doch wirklich interessant als Figuren (statt als generischer Feind) wurden sie erst, als man sie vertiefte, mit Hintergründen, Kultur und spannende Geschichten rund um das Volk und einzelnen Figuren.
Und genauso ist es im Rollenspiel: Natürlich können wir eine generische Zicke oder einen tumben Klingonen spielen. Aber wie lange wird das Spaß machen, und welches Potenzial für Geschichten bietet es? XOXO ist ein erzählerisches Spiel, in dem es mehr als woanders um die Spielcharaktere selbst geht. Es geht darum, ihre Geschichten zu erzählen, und sie so zu vertiefen, zu entwickeln und auch aus ihren ursprünglichen Rollen auszubrechen. Klischees und Vorurteile können dabei genauso wie in den Serien als Mittel dienen, um Figuren zu vertiefen: Sowohl für etwaige Hintergründe, als auch um die Charaktere gegen ebendiese gesellschaftlichen Erwartungen und Denken ankämpfen zu lassen.
Und wie steht es nun um Inklusion und Diversität? Da XOXO eine spielbare High School Serie sein soll, ist klar, dass das fortschrittlichere Bild der Vorlagen auch ins Rollenspiel gehört. Queere Charaktere sollten Normalität sein, und auch Charaktere mit Einschränkungen und Abweichungen von der Norm dürfen selbstverständlich dabei sein. Achtet nur darauf, dass diese Aspekte nicht alleine die Figur definieren. Lasst es ruhig Thema sein, aber eben nicht ausschließlich. Es wäre unfair, einen Charakter auf ein Thema zu begrenzen – denn sonst habt ihr schnell „den Schwulen“ oder „die Behinderte“, und genau diese Einseitigkeit würde dem Ideal der Serien und des Systems zuwiderlaufen.
Die reale Welt da draußen ist oft schrecklich. Wenn wir Rollenspiele spielen, wollen wir immer auch etwas Abstand davon gewinnen – ebenso wenn wir Serien, Filme, Bücher und Videospiele genießen. Wir wollen den Alltag, unsere Sorgen, die Probleme der Welt vergessen, für eine kurze Zeit. Im Rollenspiel können wir dabei besonders intensiv Geschichten erleben und beeinflussen, mit unseren eigenen Charakteren. Und gerade weil wir etwas Realitätsflucht wollen, gehören Diversität und Repräsentanz dazu. Denn wie eskapistisch kann eine Welt sein, die Teile ihres Publikums ausschließt und mangels Sichtbarkeit genau jene Ausgrenzung betreibt, die vielen Menschen auch in ihrem Alltag begegnet? Die Unsichtbarkeit von Menschengruppen in den Medien ist nicht unpolitisch, im Gegenteil. Sie transportiert die Diskriminierung des Alltags in die Medien – dort hin, wo wir doch eigentlich den Alltag vergessen wollen.
Ganz sicher: Wir können das besser. Wir können gesellschaftliche Misstände und Ausgrenzung thematisieren und unseren Figuren ein positives Erlebnis verschaffen, ebenso können wir inklusiv und vielfältig sein. Besonders im Rollenspiel, wo nur die Phantasie unsere Grenze sein kann. XOXO soll das fortschrittliche Gesellschaftsbild verkörpern, das die modernen High School Serien darstellen. Sexismus, Rassismus, Homophobie, Transphobie und jegliche andere Form von Ausgrenzung hat in diesem Rollenspiel nichts zu suchen, sofern es sich nicht nur um eine entsprechende Charaktergeschichte handelt. Dieses Rollenspiel bietet Raum für alle Farben, Geschlechter, und überhaupt: Für alle Menschen. Heutzutage nennt man das oft „woke“. Insofern: XOXO ist woke. Und stolz darauf.
Titelbild: Alessandro Biascioli (via Adobe Express); nachbearbeitet durch Foxygrafie
Beitragsbilder: siehe Bildunterschriften